Shmuel Shapiro

Biografie

Shmuel Shapiro wird am 19. September 1924

als Sohn jüdischer Einwanderer, die um die Jahrhundertwende aus

Russland nach Amerika emigrierten, in New Britain (Connecticut, USA)

geboren. Die Familie betreibt einen kleinen Milchhandel. Bereits mit 15

Jahren beginnt er ein vierjähiges Kunststudium an der Art School in

Hartford, Connecticut. Seine Lehrer sind F.S. Hind und Howard Ahrens. 1943

muss er seine Ausbildung abbrechen. Er wird Soldat, kommt nach Europa

und nimmt als Feldwebel des 286. Pionier Bataillons an der Befreiung

Colmars teil.

1946 in die USA zurückgekehrt, nimmt er

seine Studien an der Art School in Hartford, Connecticut, wieder auf. Er

widmet sich der Malerei bei Professor Henrik Mayer und besucht die

Bildhauerklasse von Henry Kreis. 1947 wechselt er an die Museum

School, Boston. Hier arbeitet er u.a. bei Karl Zerbe. Besonders jenem

Professor verdankt er die künstlerische Auseinandersetzung mit dem

Deutschen Expressionismus. Zerbe vermittelt die Malerei Heckels oder

Beckmanns und lässt zudem seine Schüler den abstrakten Expressionismus

der amerikanischen Schule mit Willem de Kooning, Robert Motherwell, Sam

Francis nachvollziehen. 1948 kommt Shapiro nach New York an die

Art Students League, jene Institution, an der George Grosz in den

dreißiger Jahren unterrichtet hatte. Sein Lehrer ist u.a. Reginald

Marsh. 1950 kehrt Shapiro nach Boston zurück. An der freien

Akademie, der Butera School of Art, belegt er Kurse, sein privater

Mentor ist Hyman Bloom. Noch immer hat der Künstler das Gefühl ein

Lernender zu sein.
1952 – es ist das Jahr der Begriffsprägung

„Action Painting“ angesichts von Pollocks Drippaintings – geht Shapiro

nach Indiana. Am John Herron Art Institute studiert er Malerei und

Grafik. 1953 bis 55 arbeitet er an der Indiana University,

Bloomington. Hier macht er den Master of Fine Arts und unterrichtet als

Assistent von Professor Engel selbst eine Zeichenklasse. Noch während

seines Indianaaufenthaltes beteiligt sich Shapiro an der dritten

Internationale für Druckgrafik in Cincinaty/Ohio, sowie an der

Ausstellung „Young American Printmakers“ des Museum of Modern Art in New

York.

1955 reist er als Fulbright-Stipendiat glücklich

nach Europa. Paris, die Kunstmetropole, in der Picasso, Chagall oder

Miró einem auf der Straße begegnen konnten, ist die Stadt seiner Träume.

Er arbeitet im Atelier 17 bei Stanley W. Hayter. Miró, Chagall und

Giacometti lernt er erkennen. Corneille und de Nicolas Staël und viele

andere werden seine Freunde. Er bezieht ein eigenes Atelier im Impasse

Ronsin. Brancusi und Tinguely sind seine unmittelbaren Nachbarn. 1957

gibt er private Malkurse am American Students and Artists Center in

Paris.

Shapiro ist ein wenig konstanter Mensch. Er wechselt Galeristen, Wohnort, Lebenssituationen. In der Zeit von 1957-76 lebt er wechselnd in Frankreich, der Schweiz, Deutschland und den USA. 1960 kehrt Shmuel Shapiro

nach Amerika zurück. Bald merkt er, dass ihm das Leben dort fremd

geworden ist. „Er braucht die aufgeschlossenen Menschen der alten Welt

(…) Er braucht auch die Landschaften Europas, die Kleinheit und Stille

mancher Orte (…) Hier in Wildflecken später in Oberbach, kleinen Dörfern

in der Rhön, findet er Ruhe zum Arbeiten. (…) Wieder, wie schon in

Paris, arbeitet der Künstler um zu überleben. Dabei wechseln Phasen

großer Euphorie mit Zeiten tiefer Depression. Auch die Familie leidet

unter diesen Schwankungen“ (Barbara Lipps-Kant).

 
1963-67

folgen die „Karlsruher Jahre“: In Karlsruhe beginnt ein bedeutender

Abschnitt in Shapiros Leben, mit wichtigen Bekanntschaften, zahlreichen

Ausstellungen, und künstlerischen Anreizen. 1963 zieht die

Familie in die Fächerstadt. Shapiro wird nicht nur Mitglied des

Badischen Kunstvereins und des Künstlerbundes Baden-Württemberg, sondern

schließt sich auch der kleinen jüdischen Gemeinde Karlsruhe an.
Der

„Holocaust“ mit Auschwitz und der grauenhaften Todesmaschinerie des

Nationalsozialismus wird in dem wichtigen grafischen Zyklus „Tor des

Todes“ zum Thema. Das Ehepaar Dr. Ulrike und Prof. Jürgen Thimme ebnet

Shapiro den Weg zu Galerien und Kunstvereinen. Shapiro schließt enge

Freundschaft mit Künstlern der Karlsruher Akademie, wie mit Georg Meistermann,

Heinz Schanz, Wilhelm Schnarrenberger und vielen anderen. Es entsteht

ein Kreis von Kunstfreunden, die das Werk Shapiros schätzen und sammeln.

1967

verlässt der Künstler Karlsruhe. Die folgenden zwei Jahre lebt er in

Wissembourg im Elsaß. In dieser Zeit der wachsenden internationalen

Anerkennung stellt er in London, Oxford und Schottland aus. 1969 zieht es ihn erneut in die USA, nach Westport. Nach schwerer Krankheit beschließt er 1970

abermals nach Europa zu reisen. Er geht nach Basel. Hier entstehen

abstrakte Bilder, die „in der bekannten starken Farbigkeit Naturhaftes

assoziieren (...). Dennoch kommt die Landschaft aber auch das Stilleben

und die menschliche Figur (…) stärker zur Geltung (…).“ (Barabara

Lipps-Kant) Es entsteht die „Mazel Tov Suite“, eine Folge von 13

großformatigen Lithografien. In Basel lernt Shapiro Mark Tobey kennen

und etabliert sich mit zwei wichtigen Ausstellungen, die ihm viele

Aufträge und Ausstellungen einbringen.

Es folgen weitere Wechsel der Wohnsitze: 1972 lebt Shapiro in Buix im Jura, 1973 in New York, dann wieder in Buix und Basel. 1974 erhält er eine Professur an der Universität von Halifax, Canada. Im Jahr 1975

lernt Shapiro den Galeristen Ewald Schrade kennen. Ein gegenseitiges

Geben und Nehmen zwischen Künstler und dem Galeristen, lebenslangen

Freund und Förderer. Schrade beigeistert ihn für eine erste Ausstellung

in der Schloßhofgalerie Kißlegg und für die Schönheit des Allgäus, mit

dem Erfolg, dass sich der Maler von 1976 bis 1983 endgültig in Immenried niederlässt. Von 1975 bis 1979 unterrichtet Shapiro an der Winterakademie und lernt hier seine spätere Lebensgefährtin Ruth Lichti kennen. In Erich Mansen und Bernhard Spahn findet er neue Freunde. Diese Jahre sind geprägt von großartigen Erfolgen und künstlerischem Engagement.
Shapiros letzte Ausstellungen finden 1982 in der Galerie Schrade in Kißlegg und Lindau statt. Am 12. August 1983 stirbt er 58jährig in Ravensburg nach Vollendung eines beeindruckenden Bildes.

Viele Studienreisen und Arbeitsaufenthalte führten Shapiro u.a. nach Wien, London, Florenz, in die Provence und nach Israel.
 
Shaprios Malweise
,
das

sinnlich-leidenschaftliches „Fest der Farben“ (Ruth Lichti), erinnert

an das Amerikanische Action Painting. Erkennbar sind auch die

Europäischen Einflüsse des Informell, der Abstraktion und des

expressionistischen Gestus. Shapiro bringt Farbe in Öl- und

Acrylbildern, in Gouachen und Collagen zu faszinierender Entfaltung. Er

„formt sie mittels neben einander gesetzter, einander überlappender,

sich auftürmender Farbfelder zu Gegenden“ (Melanie Klier). Seit den 70er

Jahren „transponiert er das Erleben der Landschaft in reine

Farbereignisse. (...) Die Impulse des Dynamischen sind die

bildbeherrschenden Faktoren dieser sich für alle Veränderungen offen

haltenden Malerei“ (Günther Wirth). Wobei Shapiro mühelos von einer

Tonart in die andere wechselt, vom Komplex-Dramatischen zum

Lyrisch-Leisen, von der gestischen Abstraktion zur Figuration. „Im Malen

vergewissert sich Shapiro der Schönheit der Welt“, schreibt Erich Mansen über den Vollblutmaler – und trifft den Kern.

Ausstellungen (Auswahl)

Die

Arbeiten Shapiros wurden seit seiner Jugend in zahlreichen

Ausstellungen in den USA und vornehmlich in Europa gezeigt. Werke von Shmuel Shapiro

waren bereits auf der ersten ART Basel im Jahre 1970 vertreten. In

folgenden Jahren und Jahrzehnten war er auf dieser heute geradezu

legendären Kunstmesse wiederholt mit neuen Arbeiten präsent.

Arbeiten

des Künstlers russisch-jüdischer Abstammung befinden sich in

zahlreichen privaten und prominenten, öffentlichen Sammlungen,

beispielsweise in der Sammlung der Tate London.

Corcoran Gallery, Washington, D.C., USA (1952)
Salon des Réalitées Nouvelles, Paris (1957)
Musée de l'Art Moderne, Paris (1958)
Galerie Marforen, Brüssel (1958)
Deutscher Künstlerbund (1965)
Curwen Gallery, London (1966)
Galerie Griechenbeisl, Wien (1966)
Edinburgh Art Festival, Edinburgh (1968)
New Britain Art Museum, New Britain, Conn. USA (1969)
Overbeck-Gesellschaft, Lübeck (1972)
Galerie Paul Brück, Luxemburg (1973)
Galerie Jakob, Basel (1981)
Galerie Carinthia, Klagenfurt (1983)
Schloßhofgalerie, Kißlegg i. Allgäu sowie Lindau (1984)
Galerie Carinthia, Wien (1991)
Städtische  Galkerie „Die Fähre“, Saulgau (1992)
Villa Merkel, Esslingen (1992/93)
Galerie Schrade Schloß Mochental (Gedächtnisausstellung zum 70. Geburtstag) (1994)
Museum Schloss Ettlingen (1997)
Galerie Blau, Palma de Mallorca (2001)
Galerie Schrade Schloß Mochental, (2003)
Kardinal König Haus, Wien (2006)
Galerie Schrade, Karlsruhe; Galerie Hilt, Basel (2007)
Museum Rudolf Wachter/Neues Schloß Kißlegg, Allgäu (2008)
Galerie Königsblau, Stuttgart (2008)
Galerie Schrade, Karlsruhe (2010)